Und machen die Weltwirtschaft gleichzeitig nachhaltiger.
Seit dem 1. Januar 2019 ist Jair Messias Bolsonaro Staatspräsident von Brasilien. Sein Vorgänger hatte das Weltklimaabkommen von Paris mit unterzeichnet. Bolsonaro will es – wie zahlreiche weitere Staaten – wieder aufkündigen. Er hält den Schutz des Amazonas Regenwaldes für unnötig und den Klimawandel wie sein Kollege Trump für »Fake-News«. Damit hat die aufgeklärte Weltgemeinschaft ein Problem und die Teilnehmerstaaten am bevorstehenden UN-Klimagipfel haben schwierige Verhandlungstage vor sich.
Betrachten wir unseren Planet Erde als Unternehmen!…
(Fünf Konzernbereiche, die Kontinente, rund 200 Abteilungen, die Staaten. Alle Staatsoberhäupter werden zu Abteilungsleitern und wir 7,5 Mrd. Menschen sind die Mitinhaber und Mitunternehmer unserer Unternehmen Erde GmvH – Gesellschaft mit vollständiger Haftung [1])
…Dann ist in diesem Bild Jair Bolsonaro aktuell als Abteilungsleiter von Brasilien verantwortlich für unsere quasi »Betriebs-Klima-Zentrale«. Denn der brasilianische Regenwald und Amazonas Regenwald insgesamt gilt als die wertvollste und wichtigste grüne Lunge für unser globales Klima. Und rund die Hälfte davon wächst in Brasilien.
Nun können wir einen Staatspräsidenten für sein Verhalten, das die Zukunft unseres Unternehmens gefährdet, nicht einfach »rausschmeissen«. Weil zum einen, wer sollte das tun?, und zum anderen, wohin sollte er dann gehen? Das Schwierige und gleichzeitig auch das Schöne ist doch, dass jedem Menschen in unserem Unternehmen Erde eine lebenslange Zugehörigkeit garantiert ist. Und zwar egal, wie produktiv, konstruktiv oder destruktiv er sich verhält.

[Der Regenwald beeinflusst maßgeblich unser globales Klima. Denn er speichert riesige Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) und den enthaltenen Kohlenstoff (C) in seinen Pflanzen und im Boden. »Bei diesem Prozess wird so viel Kohlenstoff gespeichert, wie in rund zehn Jahren auf der ganzen Erde freigesetzt wird! Der Regenwald senkt also den globalen Ausstoß von Treibhausgasen.«, schreibt der WWF. [2] »Etwa 17 Prozent des ursprünglichen Amazonasregenwaldes sind Berichten zufolge bereits verschwunden. … Schon bei 20 Prozent Abholzung könnte das Ökosystem einen Kipppunkt erreichen, schreiben die Forscher Thomas E. Lovejoy und Carlos Nobre im Magazin Science Advances. Das ist viel früher, als man lange Zeit dachte«, berichtet die ZEIT [3] ]
Das Wesen unserer kapitalistischen Marktwirtschaft…
…ist es, Geld zu verdienen. Koste es, was es wolle, und egal, wer oder was dabei »über die Klinge« springen muss: ausgebeutete Arbeiter, unsere Lebensgrundlagen, das Gemeinwohl oder gleich ganze Staaten, auch wenn wir sie dafür komplett zerbomben müssen. Klingt hart. Aber wenn wir ehrlich sind, ist das unsere Realität.
Charles Darwin hat uns einmal erzählt, dass in der Natur das Prinzip von »survival of the fittest« gilt, dass der Stärkste (der Anpassungsfähigste) überlebt. Wir meinen seit langem, dass das auch für unser Wirtschaftssystem und international politisches und gesellschaftliches Zusammenleben gilt. Wie »gut« das nicht funktioniert erfahren wir jeden Tag aus den Medien.
Eine neuere wissenschaftliche Erkenntnis ist allerdings eine ganz andere: Nicht der »Fitteste« überlebt in der Natur sondern derjenige, der dem Gesamtsystem einen Mehrwert bietet. Ökosysteme überleben also, weil sie es verstehen, Ressourcen aufzubauen – und nicht, wie unser heutiges Wirtschaftssystem, Ressourcen fortwährend gedankenlos aufzubrauchen und letztlich zu zerstören. Jeder trägt etwas zum Erhalt, zum Aufbau eines Ökosystems bei. [4] Die Pflanzen durch mehr Früchte als sie zum Erhalt ihrer Art brauchen, die Bienen durch das Weitertragen von Blütenstaub, die Eichhörnchen, weil sie mehr Eicheln vergraben als sie im Winter wiederfinden… Und im Regenwald ist das »Mehrwert-Zusammenspiel« aller Pflanzen- und Tierarten immens komplexer.
Wenn wir uns als Weltgemeinschaft dieses Mehrwert-Prinzip auch zu eigen machen würden, dann sähe unsere Welt sicher bald besser aus.
Den Regenwald retten durch Umdenken im Kopf
Die Lösung für ein Problem findet man bekanntlich am besten, wenn es gelingt, die Problemebene zu verlassen und einen Blick »von aussen« darauf zu werfen.
Ich betrachte in meinem Buch unsere Welt als ein Unternehmen. Meine Kernfrage bei allen Themen ist »Welchen Beitrag leiste ich mit dem, was ich vorhabe (als Privatperson, Unternehmer, Politiker…) zur Erhaltung der Welt?« In Bezug auf den Amazonas Regenwald und das zerstörerische Verhalten von Herrn Bolsonaro lautet die Frage »Welchen Beitrag hätten (jetzt im Nachhinnein) die Staatsoberhäupter auf dem letzten UN-Klimagipfel zur Erhaltung unserer Welt leisten können?« Lassen Sie uns dafür vier Gedanken und Themen zusammenführen:
Status und Autonomie
In Verhandlungen erschwert die Nichtbefriedigung dieser beiden sozialen Grundbedürfnisse erheblich das angestrebte Verhandlungsziel. [5] Je höher der Status eines Menschen ist, desto ausgeprägter ist sein Bedürfnis nach Bestätigung dieses Status. Das Streben nach Autonomie drückt das Bedürfnis nach Kontrolle, Entscheidungsfreiheit und letztlich das Gefühl von Sicherheit aus.
Wenn wir den Staatspräsidenten Jair Bolsonaro (hoher Status!) als Klimaleugner und Regenwaldvernichter hinstellen und ihm mit der Streichung von Finanzhilfen zum Schutz des Amazonas-Waldes in Millionenhöhe drohen oder bereits sanktionieren (Autonomieverlust), dann ist das sicher nicht hilfreich, ihn zum weiteren Schutz und Erhalt des Regenwaldes zu bewegen.
Die Größe Brasiliens zur Fläche des Regenwaldes
Rund 45-50 Prozent des 6-8 Millionen Quadratkilometer großen Amazonas Regenwaldes (es finden sich unterschiedliche Zahlen) befindet sich in Brasilien und bedeckt rund die Hälfte des gesamten Staatsgebietes. Ihn zu erhalten heisst also, dass die Weltgemeinschaft von Brasilien verlangt, dass es rund die Hälfte seines Staatsgebietes quasi dem Rest der Welt unentgeltlich zur Verfügung stellt, als CO2-Speicher!
Der Regenwald ist ein Rohstoff
Wir müssen den Regenwald als Rohstoff betrachten, wie Gas und Öl, der obendrein wertvoller ist als Gold. Russland lebt von seinen Gasvorkommen, die OPEC-Staaten von ihren Öl. Selbstverständlich zahlen wir für diese Rohstoffe Geld an die Erzeuger. Wie auch für alle anderen Rohstoffe, die in anderen Ländern gewonnen werden. Für Strom und Wärme aus Solar- und Windkraft bezahlen wir Geld an diejenigen, die diese Energien erzeugen. Selbst recycelter Abfall und sauberes Wasser sind Wirtschaftsgüter. Warum zahlen wir dann noch immer nichts für gereinigte Luft und gespeicherten Kohlenstoff?
Brasilien und seine Anrainerstaaten, über deren Gebiet sich der (noch) gewaltige Amazonas Regenwald erstreckt, stellen dem Rest der Welt diesen Kohlenstoff-Speicher und diese Luftfilteranlage genauso zur Verfügung, wie Russland sein Gas und Amerika gerne sein Öl. Wir sollten deshalb auch für den Rohstoff, für die Ressource »Regenwald als Kohlenstoff-Speicher« die Länder, die ihn bereitstellen, bezahlen!
Das Bezahlsystem existiert bereits im Ansatz
Seit 2005 gibt es den EU-Emissionshandel als Instrument der EU-Klimapolitik. Sein Ziel ist, »die Treibhausgasemissionen (wie CO2) unter möglichst geringen volkswirtschaftlichen Kosten zu senken, indem eine begrenzte Zahl an Emissionsrechten ausgegeben und anschließend auf einem Markt gehandelt wird.« (wikipedia [6]). Die Grundidee war gut und richtig, nur die Umsetzung im Ansatz falsch.
Wir müssen nicht für die Begrenzung von Emissionen Handel betreiben sondern für die Reinhaltung der Luft und Speicherung des CO2 zahlen. Und die erfolgt zu einem wesentlichen Teil im Regenwald des Amazonasbeckens. Also müsste die CO2-erzeugende Wirtschaft an Brasilien für die Bereitstellung dieser Ressource Geld zahlen und nicht an der Börse mit sich selber Handel mit virtuellem Papiergeld treiben.
Je schlechter unser Klima wird, desto höher werden die Kosten für die Industrie, weil der Wert des Regenwaldes (und aller weiteren Wälder und CO2-speichernden Ökosysteme) wächst. Je sauberer, desto geringer sind für alle Luftverschmutzer die Kosten.
[Nebenbei: So könnten übrigens auch ganz charmant die SUV-Dieselfahrer ihren Beitrag zum Erhalt ihres Unternehmens leisten. Solche von Endverbrauchern verursachten CO2-Belastungen könnten als CO2-Steuer dann an die nationalen Forste und privaten Waldbesitzer gehen, denn auch ihre Wälder filtern unsere Luft und speichern Kohlenstoff. Für die Forstwirtschaft, etwa den Bayerischen Wald, entstehen dadurch ganz neue Einnahmequellen. Und der Staat kommt über deren Steuerzahlungen auch zu seinem Geld.]
Viele Fliegen mit einer Klappe
Wir denken und handeln noch immer zu linear, obwohl auf der Welt mittlerweile alle unsere Probleme und Lösungen komplex und vernetzt sind.
Wenn wir zum Beispiel den für uns alle überlebenswichtigen Regenwald erhalten wollen und müssen, dann reden wir im nächsten Satz bereits über Sojaanbau, mächtige Agrarindustrie, berechtigte Wirtschaftsinteressen Brasiliens, umstrittene Freihandelsabkommen. Und im übernächsten Satz über den europäischen Fleischkonsum und überhaupt unser Ernährungsverhalten, über Tierzucht, Nahrungsmittelverschwendung für deren Futter, Überdüngung, Gesundheit und was sonst noch. Alles hängt mit allem zusammen. Wir können kein Thema mehr für sich alleine behandeln, sondern fast jedes nur noch als Weltgemeinschaft lösen.
Alle Staaten müssen den Ländern des Brasilianischen Regenwaldes (und dann natürlich auch den anderen Ländern, die Regenwald besitzen) für seinen Erhalt einen wirtschaftlichen CO2-Ausgleich zahlen. Das ist für mich Wirtschaft auf Augenhöhe. Und nicht »Entwicklungshilfe zum Schutz des Waldes« aus unzähligen Fonds und Finanztöpfen einzelner Länder nach Gutdünken.
Mit der Anerkennung des Regenwaldes als Rohstoff verfügte Brasilien über eine weitere, im Grunde unerschöpfliche, Ressource und würde – rein unternehmerisch betrachtet – wohl alles tun, diesen zu erhalten und sein größter Beschützer zu werden. Denn: Mit jedem Quadratkilometer, der weiter abgeholzt wird, verringert sich diese Einkommensquelle unwiederbringlich. Und so dumm wird auch Bolsonaro nicht sein, wenn er den Zusammenhang von Regenwald und Klimaschutz aus diesem Blickwinkel betrachtet.
[Kleines Schmankerl am Rande: Donald Trump dürfte innerlich vor Wut schäumen, weil dann nicht mehr er der »King of the Road« wäre sondern ein Stück mehr der »lonesome Rider«. Aber vielleicht fände auch er so einen neuen Blick auf den Klimaschutz.]
Gegen die mächtige Agrarindustrie in Brasilien erhielte Bolsonaro internationale Unterstützung und müsste die Lobby-Last nicht mehr alleine schultern. Bolsonaros Status würde aufgewertet und sein Autonomiebedürfnis durch eigene Entscheidungsmöglichkeiten auch.
Die Wirtschaft bewegt sich Richtung Gemeinwohl-Ökonomie
Wenn wir den Emissionshandel umstellen auf eine »Kohlenstoffspeicher-Steuer« steigt automatisch das Interesse der Industrie und Wirtschaft, ihre »Luftreinhaltungs- und CO2-Speicher-Zahlungen« möglichst schnell zu verringern, denn die stehen auf der Ausgabenseite in ihrer Bilanz. Natürlich dürften diese Kosten nicht gewinn- und steuermindernd ans Finanzamt durchgereicht werden! Eine solche Maßnahme würde auch ganz charmant die Klimaleugnerindustrie einbeziehen, ohne dass man sich mit ihr vorerst weiter auseinandersetzen muss.
Damit sollte auch die Innovationsbereitschaft und -kraft zu einer klimaneutraleren Wirtschaftsweise weiter zunehmen. Mit der dann hoffentlich erreichten Reduktion der CO2-Emissionen verringert sich für Brasilien dann zwar irgendwann wieder das Einkommen in diesem Bereich. Aber dieses Schicksal trifft alle Rohstofferzeuger und -ausbeuter früher oder später. Und mit den bis dahin erzielten vermutlichen Gewinnen hat Brasilien das Kapital, währenddessen seine übrige Wirtschaft selbst ökologischer und zukunftweisend nachhaltiger zu gestalten. (Das gilt natürlich für alle anderen Staaten mit klimaschützenden Wäldern auch.)
Und die dortige Agrarindustrie? Es gibt mittlerweile auf der Welt so viele spannende Konzepte und Entwicklungen innovativer alternativer ökologischer Landwirtschaft, die auch industriell umgesetzt werden können. Es sollte also der Agrarindustrie unternehmerisch etwas besseres einfallen, als stupider Sojaanbau und Rinderzucht. Für die dann weniger Rinder, die dafür gesünderes Fleisch liefern könnten, zahlen die weniger werdenden Fleischkonsumenten sicher gerne auch mehr Geld.
Und was lernen wir aus dieser Geschichte?
Unser Denken ist bislang ausschließlich auf »Kapital« und «Marktwirtschaft« ausgerichtet. Wir glauben, gute und erfolgreiche Unternehmer zu sein, wenn die eigene Kasse klingelt.
Wir sollten endlich anfangen, die Welt als ein globales Unternehmen zu betrachten, das uns allen gemeinsam gehört. Darin können wir uns dann mit frischer Phantasie unternehmerisch weiter verwirklichen. Und wenn uns das gut gelingt, klingeln alle Kassen und nicht mehr nur einige wenige. Denn im Unternehmen Erde GmvH – Gesellschaft mit vollständiger Haftung – arbeiten wir alle an einem gemeinsamen Ziel: dem Erhalt unseres gemeinsamen Unternehmens. Alle Aktivitäten dienen diesem Ziel. Mit neuer kreativer gemeinsamer Energie und Phantasie werden wir faszinierende, uns noch alle überraschende Lösungen auch für unsere weiteren Probleme finden. Da bin ich mir sicher.
Was uns Menschen gegenüber allen anderen Spezies doch auszeichnet ist unsere Fähigkeit zu Kooperation und das Vorstellungsvermögen von Zukunft. Wäre wünschenswert gewesen, dass die Teilnehmer am UN-Klimagipfel in New York sich dessen bereits bewusst gewesen wären. Doch nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel. Vielleicht entwickeln sie bis zum nächsten endlich den Mut, diese Fähigkeiten anzuwenden.
(am 5.9.19 in Bezug auf den UN-Klimgipfel aktualisiert) Quellen:
[1] »Unternehmen Erde GmvH – Gesellschaft mit vollständiger Haftung. Plädoyer für ein mitverantwortliches Handeln. Nikolaus Dahl, BoD, 2019. Ein neuer Blick auf unsere Welt, unter anderem mit einem Plädoyer für einen globalen »Unternehmerlohn« und Konzept-Vorschlägen für ein globales Finanz- und Steuersystem. www.unternehmenerde.com
[2] www.wwf.de/klimakrise/amazonas/
[3] www.zeit.de/wirtschaft/2019-08/brasilien-regenwald-abholzung-amazonas-umwelt-bundesregierung, 14.8.2019
[4] »Überträgt man das ökologische Prinzip der Ressourcenschöpfung auf Unternehmen, sind ökologisch tragfähige Geschäftsmodelle solche, die erstens auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette wertschöpfend sind und die zweitens dazu beitragen, dass auch die Umgebungssysteme an dieser Wertschöpfung teilhaben. Im Unterschied zu kurzfristig orientierten Strategien des Ressourcenraubbaus setzen sie auf ethisch nachhaltige Geschäftsmodelle.« Glauner, Friedrich (2015): »Zukunftsfähigkeit. Wertestrategien zu den Wettbewerbsvorteilen von morgen«. Aus CSR-Wissen Ökologie, 11.4.2017.
[5] »Denn Sie wissen, was Sie tun«, Anja Henningsmeyer, campus Verlag, 2019. Ein lesenswertes und erkenntnisreiches Buch über Verhandlungsstrategien.