Die zweite Frage

Handle nur nach derjenigen Maxime,
durch die du zugleich wollen kannst,
dass sie ein allgemeines Gesetz werde.

Immanuel Kant

Wenn wir jetzt anfangen, uns alle als Unternehmer zu verstehen, dann gehen wir doch gleich noch einen Schritt weiter und stellen uns die Frage, wie unsere gesamte Welt aussähe, würden wir sie als ein einziges großes Unternehmen betrachten – die Unternehmen Erde Gesellschaft mvH. Eine Gesellschaft mit vollständigerHaftung.

Unsere UEG.

Ein inhabergeführter Konzern, der sich derzeit, wie gesagt, in fünf bis sieben große Unternehmensbereiche gliedert (die Kontinente, je nach Betrachtungsweise) und aktuell offiziell 193+2 Abteilungen umfasst (die UN-Mitgliedsstaaten; +2 sind der Vatikan und Palästina).

Und dann stellen wir uns folgende Fragen:

  1. Was produziert unsere UEG eigentlich?
  2. Was sind ihre Absatzmärkte?
  3. Wie sieht die Unternehmens-Struktur aus?
  4. Und wie die Arbeitsverträge?
  5. Was verdienen die Mitarbeiter?
  6. Wie ist die Personal- und Führungsverantwortung geregelt?
  7. Wie steht es um unsere Finanzen?
  8. Wie ist das Betriebsklima (klimatisch und menschlich)?
  9. Was bietet die Betriebskantine?
  10. Und wie ist es um die Aus- und Weiterbildung bestellt?
  11. Gibt es ein betriebliches Gesundheitssystem, und wie sieht es mit dem Krankenstand aus?
  12. Gibt es eine Vision oder ein Leitbild für alle Abteilungen und das Unternehmen als Ganzes?

Diese wenigen Fragen zeigen uns bereits, welch spannendes Feld sich auftut, wenn wir unsere Welt einmal mit anderen Augen betrachten! Finden Sie nicht auch? Der Blick durch die Unternehmerbrille schafft einen kompletten Standpunktwechsel in Bezug auf alles, was wir global tun, was wir nicht tun, wie wir denken und wie wir miteinander umgehen. Und daraus entsteht plötzlich ein neues gedankliches Modell für unsere Welt, aus dem sich erstaunliche Antworten auf aktuelle Fragen, Themen und Konflikte ergeben.

Eines scheint mir das globale Unternehmensbild ganz deutlich zu zeigen: Je komplexer und komplizierter die Themen und Probleme in unserer realen Welt werden, desto einfacher kann eine Lösung aussehen. Wobei »einfach« natürlich nicht so einfach ist.

In den Jahren, seit ich dieses Bild in meinem Kopf bewege (und es sind nun schon einige), habe ich noch nicht einen Bereich gefunden, für den sich aus dem Unternehmensbild kein interessanter, kreativer Lösungsansatz für unsere realen Themen und Probleme ableiten ließe. Egal, wie theoretisch oder »verrückt« er sich zunächst anhören mag. Das Entscheidende sind immer der Blickwechsel und damit verbunden ein neuer Standpunkt. Mehr desselben bringt uns nicht mehr weiter: Wir brauchen eine neue Sicht auf das Wesentliche. Für ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Vision.

Das Beste ist: Das Bild legt uns ein Kriterium in die Hand, mit dem wir unsere privaten, unternehmerischen und politischen Vorhaben und Entscheidungen ganz leicht prüfen und hinterfragen können. Es ist eine ganz einfache Frage, die wir uns immer dann stellen sollten, wenn wir etwas entscheiden wollen oder müssen:

»Welchen Beitrag leiste ich mit dem, was ich jetzt vorhabe, zur Erhaltung der Welt?« (Zur Erhaltung unserer UEG.)

Oder andersherum:

»Welchen Schaden füge ich mit dem, was ich jetzt vorhabe, der Welt zu?«

Stellen Sie sich – spielerisch und dann zunehmend ernsthaft – diese Frage immer mal wieder. Im Privaten, wenn Sie überlegen, ob Sie mit Ihrem Auto zum Bäcker fahren wollen oder es auch mit dem Rad tun könnten; wenn Sie Ihren nächsten Urlaub planen; wenn Sie im Supermarkt zu den eingeschweißten Flugmangos aus Südamerika greifen …

Als Unternehmer bei praktisch jeder Entscheidung mit Tragweite in Richtung Rohstoffe und Zulieferer, Verarbeitung, Transport, Vertrieb, Marketing, Recycling und Personal …

Und als Politiker und Parlamentarier: Bei jeder Entscheidung und Abstimmung über Gesetze, Verordnungen, Bauvorhaben und internationale Zusammenarbeit.

Ganz wichtig dabei: Befreien Sie sich in dem Moment bitte von vermeintlichen Sachzwängen und »Ja, aber …«-Einwänden Ihres inneren Kommentators. Es geht rein um die nüchterne global-unternehmerische Betrachtung und Beantwortung der Frage mit gesundem Menschenverstand aus diesem neuen Blickwinkel.

Behalten Sie die Frage beim Weiterlesen bitte im Kopf!

Seien wir ehrlich.

Unser wirtschaftliches Handeln folgt schon lange keinem tieferen Sinn mehr. Und der Vergleich des globalen Unternehmensbildes mit unserer heutigen Realität führt uns die gesamte Absurdität unseres Handelns vor Augen. Da sich unsere Welt zunehmend auf chrematistische Wirtschaft reduziert, also darauf, Profite zu machen ohne Ziel und Sinn, es sich also nur noch um Geld, Gewinne und Wachstum dreht (wachsen wohin, weiß allerdings auch niemand), bietet sich eine unternehmerisch-wirtschaftlich-nüchterne Betrachtung unserer Welt geradezu an. Zudem wird die Terminologie der Wirtschaft weltweit gesprochen; das Verständnis, »Unternehmer« zu sein, ist in jedem Land und jeder Kultur vergleichbar. Aber bereits bei der Frage, was ein guter Unternehmer ist, wie die ethischen Grundsätze aussehen, wird die Sache schon wieder spannend.

Und es wird noch interessanter. Das globale Unternehmensbild bietet für die großen Themen, über die wir uns als Weltgemeinschaft die Köpfe zerbrechen, heißreden – oder, schlimmer noch – einschlagen, überraschende Lösungen an. Zumindest zeigt es uns, wo wir zunehmend blind in die falsche Richtung laufen, und liefert uns ein gedankliches Modell und ganz konkrete Ideen für direktes Handeln und eine gemeinsame Vision.

Unsere Welt betrachte ich jetzt mit ganz anderen Augen. Wenn wir sie durch die Unternehmerbrille anschauen, erscheint vieles plötzlich ganz klar. Selbst die Antworten auf komplexe Fragen sind – rein aus der Logik des Bildes! – wirklich verblüffend.

Je konkreter wir uns einzelne Aspekte und Bereiche unserer UEG ansehen, desto deutlicher wird nicht nur der Irrsinn, den wir hier treiben – auch unsere bereits erfreulich zahlreichen guten Ansätze werden sichtbar. Wir haben doch schon so vieles erreicht. Wir brauchen nur noch den Mut, die Entschlossenheit, den klaren Blick und die gestalterische Phantasie, gemeinsam den aktuellen Lenkern ins Ruder zu greifen. Nicht, um es ihnen aus der Hand zu reißen, sondern unterstützend, für die erforderlichen Kurskorrekturen unseres globalen Tankers. Mit Steinen und Molotowcocktails drücken wir nur mehr Hass, Frustration und eigene Ideenarmut aus, dabei haben wir – die über sieben Milliarden Mitunternehmer – die größere Phantasie, mehr Herzblut und Kreativität für Veränderungen als die vermeintlichen Steuermänner oder selbsternannten Kapitäne, um im Bild zu bleiben.

Und das führt uns zur dritten Frage …