Warum die Klimakrise in Wahrheit eine »Betriebsklima-Krise« ist.
Seien wir ehrlich: Niemand glaubt wirklich daran, dass auf dem UN-Gipfel in Madrid diesmal endlich Ergebnisse und verbindliche Vereinbarungen erzielt werden, die dann in handfesten Taten sichtbar werden. Es ist leider ein weiteres Verzweiflungstreffen der Teilnehmer drinnen und der Demonstranten draussen auf den Straßen.
Wie sollte ein glaubhaftes Abschlussdokument auch zustande kommen, wenn die Staaten dieser Welt im Kern nationalistisch denken und wirtschaftlich im vorrangigen Eigeninteresse handeln? Das Problem ist nicht das globale Klima – das Problem ist unser globales »Betriebsklima«. Der Wandel des Wetters sind die nicht mehr zu übersehenden schweren »Krankheitssymptome«.
Warum ist unser Betriebsklima so schlecht? Dafür gibt es sicher soviel Ursachen und Gründe wie Meinungen. Der »Kern vom Kern« (wie der Journalist Gabor Steingart jetzt sicher fragen würde) liegt meiner Überzeugung nach wesentlich in unserer kapitalistischen Denkweise und Marktwirtschaft. In ihrem Labyrinth haben wir uns in den letzten Jahrzehnten alle komplett verlaufen. Und mit »Wir« meine ich jeden von uns, aber natürlich vorrangig unsere Politiker, Wirtschaftsbosse und Finanzjongleure in den Zentralbanken.
Unser wirtschaftliches Handeln folgt schon lange keinem tieferen Sinn mehr. Unsere Welt reduzieren wir weitgehend auf chrematistisches Wirtschaften, also darauf, Profite zu machen ohne Ziel und Sinn. Und das alles basiert nur auf Schulden und Krediten. Es dreht sich alles nur noch um Geld, Gewinne und Wachstum. Wachsen wohin, weiß allerdings niemand zu sagen. Was, bitte, ist »globales Wachstum«?
Globales Wachstum gibt es nicht, weil unser Planet nicht wachsen kann. Das Einzige, was ständig wächst, sind die Geldgier der Unternehmen und Aktionäre und die Wünsche und Ansprüche der Verbraucher. Und da wir bislang meinen, alle Bedürfnisse nur auf die aktuell praktizierte Art und Weise – materiell – befriedigen zu können, steigt der dafür erforderliche Verbrauch an Ressourcen und CO2-Ausstoß. Ganz einfach. Wenn wir von globalem Wachstum reden, ist das doch wieder nur der verlogene Versuch, uns selbst aus der Verantwortung zu schleichen und sie jemand anderem in die Schuhe zu schieben. In diesem Fall unserem Globus. Unser Planet ist einfach zu klein. Das Universum ist zwar groß, aber die Standortgegebenheiten unseres Sonnensystems geben mehr nicht her.
Wer oder was treibt das »globale Wachstum« an? Es ist vor allem die Konzentration von Reichtum und Macht auf immer weniger Personen und Konzerne. Die Konzerne erschaffen mit ihren Geschäftsmodellen die heutigen Überflussmärkte, für die sie Produkte entwickeln, mit denen wir Konsumenten uns gegenüber anderen Menschen abgrenzen wollen. Dadurch schaffen wir als Verbraucher eine Wachstumsdynamik, in der es letzten Endes oft nur noch um Besitz um des Besitzes willen geht.
Anders ausgedrückt: Der Nutzen vieler Produkte, die wir kaufen, entsteht nur dadurch, dass wir mit ihnen zeigen können, dass wir sie haben und wir sie deshalb auch nur begehren. Und die wenigen Personen und Konzerne immer reicher machen. Hand auf’s Herz: Wieviel Prozent unseres Besitzes und Konsums brauchen wir (nicht), um gut zu leben?
Ein neuer »Unternehmer«Blick auf unsere Welt
Wir brauchen einen neuen Blick auf unsere Welt und unsere Probleme. Betrachten wir unseren Planeten deshalb einmal als ein globales Unternehmen: Das »Unternehmen Erde GmvH«. Eine Gesellschaft mit vollständiger Haftung.
Unser Planet ist die größte uns bekannte Personengesellschaft im Universum. Ein weltumspannender Konzern, strukturiert in fünf große Konzernbereiche, die Kontinente, und rund 200 Abteilungen, unsere Staaten. Unsere Staatsoberhäupter und Regierungschefs werden in dieser Betrachtung zu AbteilungsleiterInnen, sämtliche Firmen und Konzerne zu untergeordneten Profitcentern – der Bayer-Konzern ebenso wie der Bäcker um die Ecke. Und wir über 7,5 Milliarden Menschen sind die verantwortlichen Inhaber und Mitunternehmer unserer »global Company«.
Der Wunsch, dass wir uns als Menschen alle etwas netter begegnen – respektvoller, mitfühlender, hilfsbereiter und weniger abweisend – wird sich so schnell nicht erfüllen. Womit wir jedoch heute beginnen können ist, unsere Welt mit neuen Augen als globale Unternehmer zu betrachten. Einen neuen gemeinsamen Standpunkt einzunehmen und damit ein gemeinsames Ziel formulieren zu können. Eine gemeinsame »Unternehmens-Vision«.
Wir brauchen bessere Unternehmer
Es wird es höchste Zeit, dass wir uns unserer globalen Unternehmer-Verantwortung bewusst werden! Wenn wir mit dieser inneren Haltung und Denkweise an die brennenden Themen und Probleme herangehen, dann geht es nicht mehr um den Vorteil einer Abteilung (USA/…) gegenüber einer anderen Abteilung (China/…). Es geht nicht mehr allein darum, sich als Profitcenter (Bayer/Monsanto/…) für jeden Profit gegen ein anderes Profitcenter zu profilieren, mitunter auch gegen ganze Abteilungen oder gar alle Mitunternehmer. Wenn wir gemeinsam ein globales Unternehmensverständnis entwickeln, entstehen rein aus der Logik des »Unternehmensbildes« plötzlich viele neue Ansätze und Lösungsideen, die wir heute noch nicht sehen. Wir verbessern nicht nur das klimatische »Betriebsklima« sondern vor allem auch unser menschliches »Betriebsklima«, wenn es nicht mehr um Konfrontation und Abgrenzung geht sondern um Kooperation zur Erhaltung unseres gemeinsamen Unternehmen Erde. Alle anderen Zwistigkeiten auf der Welt werden nebensächlich.
Diese zugegeben nicht leichte Aufgabe verlangt von jedem Einzelnen, viele unserer Denk- und Verhaltensmuster neu zu betrachten. Da geht es für viele auch ans Eingemachte. Aber je mehr Menschen für sich entscheiden, diesen Schritt zu wagen, desto mehr Menschen werden den Charme eines neuen möglichen Zusammenlebens, zusammen Arbeitens und zusammen erfolgreich zu Wirtschaften erspüren und zu schätzen lernen. Unsere Welt als ein gemeinsames »Unternehmen« zu betrachten – und die Konzeptidee in ferner Zukunft vielleicht sogar praktisch umzusetzen – könnte visionär gesehen vielleicht unser nächster großer Wurf in der Geschichte der Menschheit werden.
Das ist eine nützliche Analogie, den CO2-Haushalt der Erde mit Preisen zu versehen. Das Problem im Fall einer Regierung wie Bolsonaro ist vielleicht am Ehesten, dass man es dort nicht mit einem ehrlichen Geschäftsmann zu tun hätte – eher, um in der Analogie zu bleiben, mit einem auf den kurzzeitigen eigenen Profit bedachten Besitzer eines Kirmesbüdchens, der in drei Jahren auf Nimmerwiedersehen verschwindet… Die Sache ist sehr vertrackt, weil jede Bereitstellung global nutzbarer Güter (saubere Luft) ja Free Rider auf den Plan ruft. Aber ich weiß, Sie haben sich auch darüber schon eine Menge Gedanken gemacht, und danke Ihnen für den Anstoß! Viele Grüße, Thomas Fischermann